Bambus – ein Wundergras?

Bambus ist entgegen einer weitverbreiteten Ansicht kein Holz, sondern gehört zu den Gräsern. In Europa werden die vorteilhaften Eigenschaften für den Holzbau, zum Beispiel sehr hohe Biege-, Zug- und Druckfestigkeiten kaum genutzt. Zwei Professoren der Berliner Hochschule für Technik wollen dies mit ihrer Forschung ändern.

Prof. Dr.-Ing. Andreas Loth und Dr.-Ing. Ralf Förster
Prof. Dr.-Ing. Andreas Loth (l.) und Dr.-Ing. Ralf Förster Bild: privat

Bambus ist ein Gras, das auf allen Kontinenten der Welt heimisch ist mit Ausnahme von Europa und der Antarktika. Hierzulande ist er als Nahrung von Pandabären, in Form von Frühstücksbrettchen, Essstäbchen, Bambussprossen im asiatischen Essen oder vergleichsweise neu als Fußbodenbelag oder in Textilien bekannt. In manchen heimischen Gärten wächst das Gras ebenfalls und sorgt dort mit seinem teils unkontrollierbaren Wachstum des Rhizoms (Wurzelwerk) für Probleme, erreicht aber längst nicht Wuchsform und -höhe der Pflanzen bspw. in Asien.

In seiner Heimat wird Bambus weitaus vielfältiger verwendet als in Europa. Dort findet das „Supergras“, das unter anderem sehr hohe Biege-, Zug- und Druckfestigkeiten aufweist, Anwendung als Kochgeschirr, Nahrung und natürlich als Baumaterial für bspw. Häuser, Brücken oder in den vielfach bekannten Gerüsten. Letztere sind besonders beeindruckend, da mit Hilfe von einfachen Bambusstangen, die über spezielle Binde- und Knotentechniken verbunden sind, selbst moderne Hochhäuser eingerüstet werden.

Bambus ist, entgegen einer weitverbreiteten Ansicht kein Holz, sondern gehört zu den Gräsern, auch wenn es eine holzähnliche Struktur mit einer ähnlichen chemischen Zusammensetzung wie Holz aufweist. Die teilweise bis zu 30 m hohen Stämme des Bambus bestehen aus langen hohlen Abschnitten, die durch, als Nodien bezeichnete, Knoten verbunden sind. Weltweit gibt es über 1400 Arten mit unterschiedlichen Eigenschaften, Formen und Größen. Einzelne Sorten des Bambus erreichen Wachstumsgeschwindigkeiten von bis zu 100 cm pro Tag. Er ist bereits nach 5-7 Jahren ernte(hieb)reif (Kiefer ca. 70 Jahre). Im Unterschied zu Holz ist die Dichte von Bambus aber im Kernbereich geringer und nimmt nach außen hin zu. Die Dichte von Bambusvollmaterial liegt mit etwa 0,7 g/cm3 im Bereich von Harthölzern.

Leichtbauansatz entwickelt

Durch die holzähnliche Struktur lässt sich Bambus aber nicht so problemlos wie Holz im konventionellen, d.h. in Europa bekannten und seit langem verwendeten Systemen verarbeiten. Bisher wurden Lösungen erarbeitet, um Bambus ähnlich wie traditionell verwendete Bretter verwenden zu können. Die Bambusstangen werden hierfür aufgespalten und zu rechteckigen Lamellen verarbeitet, die anschließend wieder miteinander verleimt werden (vgl. Frühstücksbrettchen). Damit lassen sich Bretter und auch Balken fertigen, dabei werden aber die Vorteile und extrem spannenden Eigenschaften des Werkstoffes Bambus eingebüßt. Weiterhin kommt es zu, einer geringen Materialausnutzung (Abfall) sowie einem hohen Verarbeitungsaufwand.

2014, nach einem Besuch in Indonesien im Rahmen einer Summerschool am ISTN in Jakarta, wurden zwei neue Nutzungsansätze für das in Asien seit Jahrhunderten verwendete Material erarbeitet. Prof. Dr.-Ing. Ralf Förster, Fachbereich VIII, entwickelte das Reibschweißen von Bambus, um bspw. Endlosstangenmaterial mit konstanten Querschnitten zu erzeugen und Prof. Dr.-Ing. Andreas Loth, Fachbereich VII, entwickelte einen später als COMBOO bezeichneten Leichtbauansatz unter Verwendung von Bambusringen.

COMBOO aus Honeycomb (engl. Wabe) und Bamboo (engl. Bambus) basiert auf in einem Wabenmuster angeordneten Bambusringen. Belegt mit geeigneten Decklagen wird hieraus ein sog. Sandwichwerkstoff, dessen Eigenschaften die Eigenschaften der Einzelmaterialien übertrifft. Während konventionelle Sandwichwerkstoffe meist Kernlagen aus Kunststoff- oder Metallschäumen oder -waben aufweisen oder aus Tropenhölzern wie Balsa bestehen, die entweder Erdöl basiert sind, einen hohen Energiebedarf für die Erschmelzung haben bzw. aus Monokulturen stammen, ist die COMBOO-Kernlage deutlich umweltfreundlicher.

Wurden anfangs noch Decklagen aus GFK (Glasfaserverstärkte Kunststoffe) untersucht, um das neue Material mit konventionellen Sandwichwerkstoffen vergleichen zu können, ist jetzt der Fokus auf Decklagen aus Holz gerichtet. Im Bauingenieurwesen und der Architektur hat schon seit einigen Jahren ein teilweiser Wechsel von Stahl- und Betonbau hin zum verstärkten Holzbau stattgefunden. Holz wird als nachwachsender klimafreundlicher und dabei leichter Baustoff angesehen. Er findet in verschiedenen Ausgestaltungen Anwendung.

Neue Entwicklungsstufe erreicht

So wird seit ca. 10 Jahren Brettsperrholz (BSP), d.h. Schichten von Brettern mit jeweils 90 Grad zueinander in der Ebene liegenden Faserorientierungen (analog zum bekannten Sperrholz) verwendet. Das auch als CLT (cross laminated timber) oder X-Lam bezeichnete Material wird aus nordischen Nadelhölzern in Stärken bis 450 mm und Größen von 13 x 7 m industriell hergestellt. Es lässt selbst im Hochbau für Wände und Decken einsetzen und wird auf CNC-Maschinen komplett Millimeter genau vorgefertigt und anschließend zur Baustelle transportiert und dort eingesetzt.

Nachteilig aus Sicht der beiden Forscher der BHT ist aber das vergleichsweise hohe Gewicht und der große Verbrauch von hochwertigem Holz, auch in nicht stark belasteten Bereichen. Hier kommt nun das neue Kernlagenmaterial zum Einsatz, wodurch sich, abhängig von den angestrebten Plattendicken, große Holzmengen und damit auch Massen einsparen lassen. Während massiver Bambus noch Dichten von wie erwähnt 0,7 g/cm3 erreicht, liegt die Dichte der COMBOO-Struktur bei lediglich 0,2-0,25 g/cm3 aufgrund des hohen Lücken- oder Luftvolumens. Damit zeigt sich das gegenüber dem meist im CLT verwendeten Kiefernholz mit einer Dichte von ca. 0,45 g/cm3 erreichbare Einsparpotential. Zudem sollen die Luftkammern in der Bambuswabenstruktur auch für eine zusätzliche Isolation sorgen. Verarbeitung und Montage werden aufgrund der verwendeten Holzdecklagen als unproblematisch angesehen.

Nach einigen Jahren früher Entwicklung und vielen grundlegenden Untersuchungen des neuen COMBOO-Materials im Zuge von Abschlussarbeiten und Kleinprojekten, wurde kürzlich eine neue Entwicklungsstufe erreicht. Nachdem mit Hilfe geeigneter Projektpartner (Knippers Helbig GmbH -Statik und Modellierung, Ing. Holzbau Cordes – Verarbeiter / Anwender und Werkzeugbau Christian Dunkel GmbH - Maschinenentwicklung) ein Förderantrag beim BMWi mit einem Projektvolumen von etwa 2,2 Mio. € (Anteil der BHT ca. 648.000 â‚¬) gestellt und bewilligt wurde, sollen nun in den nächsten 3 Jahren geeignete großindustrielle Herstellungsmethoden entwickelt, Berechnungsmethoden erarbeitet und die Eigenschaften über den Labormaßstab hinaus evaluiert werden. Hierfür arbeiten zwei wissenschaftliche Mitarbeiter und einige studentische Mitarbeiter der Fachbereiche VII und VIII der BHT unter Leitung der Professoren Förster und Loth an den Aufgaben innerhalb des Teilprojektes der Hochschule. Der Projektträger Jülich (PTJ) begleitet das Forschungsprojekt und Stand bisher auch bei der Antragstellung und dem Projektstart sehr hilfreich zur Seite.

Auch der Ansatz der GFK Decklagen ist nicht obsolet, da sich hiermit bspw. recyclebare Kühlkoffer realisieren lassen. Dieser Ansatz soll in Zukunft ebenfalls noch untersucht werden.

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